
Interessante Entwicklungen bei Preprints
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Preprint-Reviews und 1000 $ für Ihren Null-Results-Preprint
Das Publizieren, Wahrnehmen und Zitieren von Preprints nimmt in den Natur- und Lebenswissenschaften seit rund drei Jahren sehr stark zu. Preprints sind Vorabpublikationen, die noch keinem Begutachtungsprozess unterzogen wurden. Die meisten Forschenden kennen die in ihrem Fachbereich relevanten Preprint-Server, wie bioRxiv und medRxiv, und sind sich bewusst, dass Ergebnisse und Schlussfolgerungen aus Preprints einen vorläufigen Charakter haben, eben weil ihnen die Qualitätskontrolle durch Peer Review fehlt. Allerdings: laut einer Studie mussten nur 7,2% aller Preprints Änderungen an Ihren Schlussfolgerungen im Abstract nach Begutachtung und Veröffentlichung (1) vornehmen. Das heißt, dass die in Preprints enthaltenen Informationen in den meisten Fällen der Überprüfung durch Fachkollegen standhalten.
Folgende Vorzüge werden regelmäßig zugunsten von Preprints angeführt:
Geschwindigkeit:
Preprints ermöglichen es Forschenden, langwierige Peer-Review-Verfahren (zunächst) auszulassen, und haben das Potenzial, die Forschungszusammenarbeit und Innovation zu fördern - und zwar Monate vor der Veröffentlichung des endgültigen Zeitschriftenartikels.
Neue Möglichkeiten:
Preprints können für die Verbreitung von Forschungsergebnissen in jeder Phase des Forschungszyklus genutzt werden, da sie hinsichtlich der Länge und des Formats weniger festgelegt sind als Zeitschriftenartikel. Auch nicht-eindeutige oder negative Ergebnisse können als Preprint niedrigschwellig publiziert werden.
Sichtbarkeit:
Es wurde auch schon gezeigt, dass Artikel 36 % mehr zitiert werden (2) und mehr Aufmerksamkeit auf Twitter bekommen (3), wenn sie vorab als Preprint publiziert wurden. Seit April 2022 indexiert Europe PMC den Preprint-Volltext von öffentlichen Preprint-Servern, sodass Preprints nun über Europe PMC gefunden und deren Inhalte (auch mittels Textmining) durchsucht werden können.
Preprints sind für Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler eine Möglichkeit, frühzeitig an einer wissenschaftlichen Diskussion teilzunehmen und so ihre eigene Sichtbarkeit zu erhöhen. Partizipation kann auf verschiedensten Wegen geschehen - via Preprint Journal Clubs (z.B. ReproducibiliTea), Preprints-Podcasts (z.B. Preprints in Motion) oder direkt als Reviewerin oder Reviewer für Preprints (bei preLights können Preprints im „News & Views“-Stil hervorgehoben und diskutiert werden).
Bedenken und Kritik an Preprints
Trotz offensichtlicher Vorteile von Preprints für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler (siehe oben), wird das Preprinting noch nicht von der Mehrheit praktiziert, auch weil es grundsätzliche Vorbehalte gibt. Beispielsweise, dass der einfache Zugang die Preprint-Server gefährlich macht - vor allem, wenn es sich um Preprints handelt, die sich mit Fragen der klinischen Praxis befassen. Die Öffentlichkeit und Patienten werden möglicherweise mit unbelegten Behauptungen konfrontiert, was für Erkrankungen oder Heilungen relevant sein soll, obwohl ihnen der notwendige Kontext fehlt, um diese zu interpretieren. Allerdings trifft dieses Argument mitunter auch auf Artikel zu, die in Peer-Review-Zeitschriften veröffentlicht wurden, denn das Peer-Review-Verfahren ist zwar eine wichtige Qualitätssicherungsmaßnahme, aber nicht immer perfekt und objektiv und der Artikelinhalt ist für Laien nicht ohne Weiteres verständlich. Lesende von Preprints und Zeitschriftenartikeln müssen in der Lage sein, Ergebnisse einzuordnen und zu bewerten. Preprint-Server sind sich ihrer Verantwortung bewusst. So mahnt MedRxiv deutlich: „Caution: Preprints are preliminary reports of work that have not been certified by peer review. They should not be relied on to guide clinical practice or health-related behavior and should not be reported in news media as established information.” Des Weiteren sind Preprints (auch das heruntergeladene PDF) mit dem Hinweis “not certified by peer review” gekennzeichnet. Die Besorgnis über nicht-begutachtete Wissenschaft ist trotzdem ernst zu nehmen. Wie Forschende, die begutachtete Arbeiten oder Preprints zitieren, sind auch Journalistinnen und Journalisten verpflichtet, die von ihnen erwähnten Preprints kritisch zu prüfen und den Lesenden ihren Status mitzuteilen, wobei sie im Idealfall unabhängige Expertenmeinungen zur Kommentierung einholen.
Peer-Review-Plattformen
Neuere Entwicklungen, nämlich die Etablierung von Peer-Review-Plattformen, welche Preprints durch die Begutachtung zertifizieren, werden helfen, Bedenken gegenüber Preprints als unbegutachtete Wissenschaft auszuräumen. Gleichzeitig schaffen Peer-Review-Plattformen eine größere Transparenz innerhalb der wissenschaftlichen Community, weil die Gutachten der Peers öffentlich einsehbar sind.
Preprint-Reviews haben das Potenzial, das Vertrauen in Preprints zu stärken und Innovationen im Peer Review voranzutreiben. Eine neuere Entwicklung ist das Aufkommen von Plattformen für den offenen Peer-Review von Preprints. Beispiele für Plattformen, die die Begutachtung von Preprints ermöglichen, sind Peer Community In, PeerRef, PREreview und Review Commons. Ein entscheidendes Merkmal dieser Peer-Review-Plattformen ist, dass sie alle unabhängig von Zeitschriften und unabhängig von den Preprint-Plattformen sind. Trotz dieser Unabhängigkeit entstehen Verbindungen zwischen Zeitschriften und Peer-Review-Plattformen, die den Publikationsprozess beschleunigen: so kann man von der Plattform Review Commons nach Erhalt der Peer Reviews das Preprint bei einer der 17 angeschlossenen Zeitschriften einreichen.
Wollen Sie als Reviewer für eine Zeitschrift einen Bericht/ Gutachten über einen Artikel schreiben, der als Preprint veröffentlicht wurde, können Sie Ihren Peer Review Bericht auf einer Peer-Review-Plattform veröffentlichen. Wie das geht, zeigt die PublishYourReviews Initiative.
Die Vielfalt der Peer-Review-Plattformen bringt es mit sich, dass es für Forschende verwirrend sein kann zu entscheiden, auf welcher Review-Plattform Sie Reviews nachlesen oder selbst Reviews posten möchten. Ein Preprint kann auch auf mehreren Plattformen gepostet und dort von verschiedenen Peers begutachtet werden. Um hier den Überblick zu behalten hilft Early Evidence Base, eine Suchmaschine für Preprints, die mit einem Preprint-Review verlinkt sind.
Gewinnspiel von ASAPbio
ASAPbio (Accelerating Science and Publication in biology) ist eine von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern getragene gemeinnützige Organisation, die sich für eine offene und innovative Kommunikation in den Biowissenschaften einsetzt. Sie fördert die produktive Nutzung von Preprints für die Verbreitung von Forschungsergebnissen sowie transparente Peer-Reviews und Feedback zu allen Forschungsergebnissen.
Um den Wert negativer/nicht-eindeutiger wissenschaftlicher Ergebnisse und die Verwendung von Preprints zur Weitergabe dieser wichtigen Arbeit an die Gemeinschaft zu würdigen, hat ASAPbio jetzt ein Gewinnspiel ins Leben gerufen bei dem Preprints, die ein negatives/nichtiges oder nicht schlüssiges Ergebnis als Hauptergebnis berichten, mit 1000 $ belohnt werden können. Mehr Informationen finden Sie auf asapbio.org.
Referenzen
- Brierley L, Nanni F, Polka JK, Dey G, Pálfy M, Fraser N, u. a. Preprints in motion: tracking changes between preprint posting and journal publication during a pandemic. bioRxiv 2021.02.20.432090; doi: https://doi.org/10.1101/2021.02.20.432090
- Fu DY, Hughey JJ. Releasing a preprint is associated with more attention and citations for the peer-reviewed article. eLife. 6. Dezember 2019;8:e52646. doi: https://doi.org/10.7554/eLife.52646
- Fraser N, Momeni F, Mayr P, Peters I. The relationship between bioRxiv preprints, citations and altmetrics. Quantitative Science Studies. 1. April 2020;1–21. doi: https://doi.org/10.1162/qss_a_00043